Audi BKK Online Magazin

schwerpunkt

Warum „immer besser“
eher schlechter ist.

Das perfekte
ICH.

Schöner sein, fitter werden, effektiver arbeiten: Selbstoptimierung ist ein weites Feld. Der ganze Mensch ist eine einzige Baustelle, fertig ist man nie. In allen Bereichen des Lebens lässt sich irgendwo noch irgendwas optimieren. Das suggerieren uns vor allem die digitalen Medien und sozialen Netzwerke. Doch ist unser Streben nach Perfektion noch gesund? Wann ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen und das Leben einfach mal zu genießen?

Trainiere deinen Körper. Ernähre dich gesund. Achte auf den ökologischen Fußabdruck, den du auf der Welt hinterlässt. Von allen Seiten erzählt man uns, dass wir in sämtlichen Lebensbereichen immer besser werden können – vielleicht sogar müssen, wenn wir ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft sein wollen. Was macht das mit uns? Wir zählen unsere Schritte, überwachen unseren Schlaf, beantworten Firmenmails noch kurz vor Mitternacht oder morgens am Frühstückstisch und demonstrieren im Netz, wie perfekt unser Urlaub war, mit dem perfekten Partner am perfekten Strand. Schnell noch einen Filter aufs Bild, fertig ist die Illusion: das perfekte ICH.

An seiner eigenen Entwicklung zu arbeiten, ist im Grunde ja ein löbliches Projekt. So haben die modernen Fitnessarmbänder und Selbstoptimierungs-Apps schon etliche Sportmuffel vom Sofa gelockt und zu mehr Gesundheit und Lebensqualität verholfen. Keine Frage, der virtuelle Wettstreit kann ein starker Motivator sein. Und beim Kampf gegen den inneren Schweinehund übernehmen die digitalen Medien mitunter eine wichtige Schlüsselrolle. Laut einer inter-nationalen Onlinestudie der Gesellschaft für Konsumforschung setzt bereits jeder vierte deutsche Internetnutzer auf Gesundheits-Apps oder Fitnesstracker.

Bedenklicher Trend.
Problematisch wird es allerdings, wenn wir im Strudel permanenten Vergleichens, Messens, Analysierens und Bewertens das Gefühl für uns selbst verlieren. Und für das Leben im Moment. Wenn nicht mehr der Spaß an der Sache zählt. Nicht mehr der genussvolle Abend mit Freunden oder die Freude an der wöchentlichen Joggingrunde mit dem Laufpartner – sondern nur noch die Kalorien, die Bestzeiten oder der Erfolg, den man anschließend online veröffentlicht, um vor seinen Freunden richtig gut dazustehen.

Das bestätigt auch Prof. Dr. Sarah Diefenbach, Wirtschaftspsychologin an der LMU München: „Trends wie die Quantified-Self-Bewegung (Selbstvermessung) machen den ungesunden Perfektionismus salonfähig. Es gilt als schick, den eigenen Körper in jeder Hinsicht zu kontrollieren, das Leben auch im Privatbereich nach einem strengen Protokoll zu führen.“ Vom Schlafrhythmus über den Kaffeekonsum bis hin zur regelmäßigen Überprüfung der Herzfrequenz – die Selbstvermessung kennt keine Grenzen. „Was als technische Spielerei beginnt“, so Diefenbach, „führt in ein Leben aus dem man irgendwann nicht mehr zurückkann. Man kann nicht mehr einfach so essen, schlafen, nichts tun. Die Stimme im Kopf bleibt: ‚Was würde wohl mein Selbstoptimierungscoach sagen?‘“



8 Überlebenstipps

Mehr Zufriedenheit jenseits der Perfektionsfalle.










1

Mehr Schein als Sein: Machen Sie sich bewusst, dass der Inhalt, den Sie in den sozialen Medien präsentiert bekommen, sorgsam ausgewählt ist und Fotos in vielen Fällen extrem bearbeitet wurden.



2

Auch wenn es im Zeitalter sozialer Medien noch so schwer fällt: Vergleichen Sie sich nicht! Es wird immer jemanden geben, der schöner, erfolgreicher oder sportlicher ist als Sie.
#mirdochegal ;)



3

Schärfen Sie Ihr Bewusstsein für die eigene Medienabhängigkeit: Apps wie „Timewaste Timer“, „Moments“ oder „Checky“ protokollieren, wie lange Sie auf Facebook sind oder wie oft Sie das Smartphone in die Hand nehmen.



4

Mut zur Langeweile! Ja, Sie dürfen auch mal einen Samstag einfach daheim bleiben. Das wird zwar kein interessanter Facebook-Eintrag aber dafür ein entspannter Abend, der richtig gut tut.



5

Glücksmomente bewahren! Auch wenn es komisch klingt – Sie müssen Ihr Glück nicht über Twitter oder Facebook teilen, damit es real wird. Was passiert ist, ist passiert – mit oder ohne Selfie – mit oder ohne Onlineveröffentlichung. Manche Momente werden sogar noch schöner, wenn man sie einfach für sich behält.



6

Verlieren Sie sich nicht im Dschungel guter Ratschläge. Das Internet ist voll von Anleitungen für das perfekte Leben. Tun Sie, was Ihnen guttut!



7

Setzen Sie Ihren inneren Antreiber auf die Ersatzbank! Hinter dem Streben nach Perfektion steckt oft die unbewusste Überzeugung, nicht gut genug zu sein. Neuer Glaubenssatz: Ich bin wertvoll, so wie ich bin.



8

Verbringen Sie Zeit mit Menschen. 1.000 „Gefällt mir“ auf Facebook oder Instagram können ein persönliches Gespräch und menschliche Nähe nicht ersetzen.



Höher, weiter, schneller.
Psychologen unterscheiden zwischen den „Satisficern“ und den „Maximizern“. Die einen sind schnell glücklich mit dem Erreichten, Letztere sind nie zufrieden. Ein „Maximizer“ steht unter enormem Druck, immer Höchstleistung zu erbringen. Gelingt das nicht, wächst der Druck umso mehr. Er ist niedergeschlagen, unzufrieden und macht dennoch weiter.

Welcher Typ sind Sie? Machen Sie den Test.

Sucht nach Anerkennung.
Vor allem die geschönte Bilderflut auf Instagram, Facebook & Co. kann sich als ein Wegweiser der Selbstoptimierung entpuppen, der insbesondere junge Frauen und Mädchen in die Sackgasse führt. Sie eifern den vermeintlich perfekten Körpern gestylter Fitness-Ikonen nach und präsentieren sich in den sozialen Netzwerken stolz mit einer Rolle Münzen auf dem Schlüsselbein. Was für Außenstehende äußerst skurril klingt, ist für die Mädchen ein ernster Wettbewerb: Je hervorstehender der Knochen, desto größer die Anerkennung in Form von „Likes“. Magertrends in den sozialen Medien sind nicht neu. Der Wunsch nach Selbstoptimierung kann vereinzelt jedoch genau dort hinführen: in ein zwanghaftes Sport- und Essverhalten.

Mehr Sein als Schein

Menschen sind soziale Wesen. Dazuzugehören ist eines unserer Urbedürfnisse. Übertreiben wir es deshalb so, mit unserem Bemühen um eine positive Außendarstellung? Ein Blick auf eine Gesellschaft, die sich stets gut verkaufen will – und dabei ihr Glück verschenkt.

Oberkörper eines Mannes
5 Jahre

Wenn man bei Facebook, Twitter, Instagram, Youtube und Snapchat angemeldet ist, verbringt man – Hochrechnungen zufolge – 5 Jahre und 4 Monate seines Lebens in sozialen Netzwerken! Definitiv zu viel.

Vierblättriges Kleeblatt

Der Mensch ist nicht auf Effizienz programmiert. Spannend ist, dass unsere Kreativität gerade dann zum Vorschein kommt, wenn die Anforderungen an die eigene Effizienz vergleichsweise gering sind. Genau in solchen Momenten entsteht dieser Flow, das Gefühl von Freude, Lust und Lebenskraft.

Facebook Daumen nach unten

Ende 2017 hat Facebook auf eine Studie verwiesen, nach der die passive Nutzung sozialer Medien zu schlechter Stimmung bis hin zu Depressionen führen könne. Der aktive Austausch dagegen könne das Wohlbefinden angeblich steigern. Laut Ärzteblatt raten Psychologen empfindsamen Menschen, ihre Facebook-Zeiten einzuschränken.

77%

der Social-Media-Nutzer veröffentlichen gerne Selfies, aber 82 Prozent schauen sich die Selbstporträts von anderen ungern an. Dieses „Selfie-Paradoxon“ ist das Ergebnis einer Studie, die 2017 von Prof. Dr. Sarah Diefenbach im Journal „Frontiers in Psychology“ erschienen ist.

Schöner Schein

In Russland hat sich eine ganze Dienst-leistungsbranche für die Inszenierung in sozialen Netzwerken entwickelt. Für ein Selfie, das in der virtuellen Welt Eindruck schindet, kann man Luxus mieten – egal ob Brillanten, Männer, Autos oder den Privatjet. Einen Korb mit 100 Rosen gibt’s für umgerechnet 12 Euro, aber nur für 10 Minuten. Auf Instagram erscheinen dann die Bilder mit Texten wie: „Mein Liebster verwöhnt mich mal wieder.”

Druck, Stress, Versagensängste.
Fest steht, dass ein Übermaß an Selbstoptimierung den Druck erhöht und Stress erzeugt. „Die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook, werden zur Schablone für das erfolgreiche Leben“, sagt Prof. Dr. Diefenbach. „Jeder präsentiert sich von seiner Schokoladenseite und kommt zu dem Schluss, das Leben der anderen sei glücklicher und aufregender als das eigene.“ Das Glückswettrüsten in den sozialen Netzwerken kennt keine Gewinner. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Soziologen Chou und Edge von der Utah-Valley-Universität. Selbst wenn wir theoretisch wissen, dass die Fotos unserer Mitmenschen durch Filter und Retusche-Apps verzerrt sind, auf unsere Psyche wirken sie trotzdem – als idealer Nährboden für Neid, Versagensängste und Schuldgefühle.

Mit Achtsamkeit zurück zum Wesentlichen.
Die neuen Medien deshalb verteufeln? Auch keine Lösung. Grundsätzlich ist jeder selbst aufgefordert, herauszufinden, wo seine persönliche Grenze liegt zwischen gesunder Verbesserung und ungesundem Optimierungswahn zwischen dem echten Glück und der reinen Zurschaustellung vermeintlich glücklicher Momente, die nur der Befriedigung des eigenen Egos dienen. Es ist wie in allen Dingen: Die Dosis macht das Gift – und dosieren müssen wir selbst.

Auf der Suche nach dem richtigen Maß kann Achtsamkeit ein wertvoller Schlüssel sein. Er schließt im Lärm der uns ständig beeinflussenden Außenwelt eine Tür auf, die nach Innen führt. Vielleicht finden wir dort ja die Antwort auf unsere Frage: Was brauche ich wirklich, um zufrieden zu sein?

Kurse
Die Audi BKK unterstützt Sie auf Ihrem Weg zu mehr Achtsamkeit und Entspannung. Hier finden Sie Kurse vor Ort.

Podcasts
Hören Sie sich unseren Podcast „5 Tipps für mehr Achtsamkeit“ an und laden Sie sich unsere Achtsamkeitstrainings „Achtsam im Alltag“ und „Körperreise“ herunter.

Lesen Sie mehr zum Thema Achtsamkeit im Ratgeber


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Das Perfekte Ich: Download

Interview

Im Gespräch mit Louisa Dellert, Bloggerin aus Braunschweig. Sie hat selbst erlebt, was der Fitnesswahn in den sozialen Medien mit einem machen kann. Heute kämpft sie gegen den Kult der makellosen Körper im Netz und ruft zu mehr Selbstliebe auf. Praktische Tipps und Motivation für Sport und Alltag finden Sie auf den Social Media Kanälen von Louisa.

Louisa, als du dich damals auf Instagram angemeldet hast, wolltest du dir Motivation zum Abnehmen holen. Letztlich bist du in einer äußerst ungesunden Fitness- und Diätspirale gelandet, hast noch 46 Kilo gewogen, bei einer Größe von 1,63 m. Wie ist es dazu gekommen?

Ja, tatsächlich habe ich mir von Instagram Motivation versprochen. Persönlich fühlte ich mich dadurch aber noch mehr unter Druck gesetzt. Die ganzen durchtrainierten Körper und Sixpacks hatten mich fasziniert. Likes, Kommentare, Anerkennung: Alles schien möglich zu sein, wenn man gut aussieht. Das wollte ich auch. Also nahm ich ab. Machte dreimal am Tag Sport und aß nur noch Salat. Postete meine Fortschritte auf Instagram und erhielt nach und nach eine Menge Anerkennung. Stetig mehr. Die Leute haben meine Bilder gelikt und kommentiert. Mit jedem Gramm, das ich abnahm, liebten sie mich mehr. Und das spornte mich an.

Eine Herzoperation hat dich letztlich „wachgerüttelt“ und dich auf einen neuen Weg gebracht. Heute bist du immer noch Fitnessbloggerin, aber du unterscheidest dich von den anderen. Inwiefern?

Ja, das stimmt. Mir wurde klar, dass ich sorgsamer mit mir, meinem Körper und meinem Leben umgehen muss. Aktuell möchte ich mich nicht mehr als Fitnessbloggerin betiteln. Ich fühle mich nicht mehr wohl damit, jeden Tag Sport zu machen und den Leuten Fitnesstipps zu geben. Im Moment interessieren mich einfach andere Themen und ich selbst habe auch so ab und an mein Motivationstief. Im Grunde habe ich mich schon immer von anderen Fitnessbloggern unterschieden. Ich habe viel Sport gemacht und trotzdem auf Posts meine Cellulite nicht versteckt. Ich habe mich gezeigt wie ich bin und tue das auch immer noch.

Fitnessbloggerin am Strand.

„Damals bin ich dem perfekten Körper hinterhergerannt. Heute weiß ich, das war nicht gesund.“

Fitnessbloggerin im Wald.

Louisa „Lou“ Dellert, 28 Jahre, erfolgreiche Bloggerin, Gründerin von www.louisadellert.com

Instagram Icon 327.000

Follower auf Instagram

Sportlicher, schöner, gesünder: Das Netz ist voll von Ratschlägen, das sorgt auch für unheimlich viel Druck. Wie geht man am besten damit um? Wie kann man der Perfektionsfalle entkommen?

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass nicht alles, was wir im Internet sehen, unbedingt real ist und dass jeder sein Päckchen zu tragen hat. Nur man selbst kann entscheiden, welches die beste Version von einem selbst sein soll und darf. Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass wir nur dieses eine Leben haben und uns glücklich schätzen können, gesund zu sein.

Viele Bilder im Netz sind ja extrem bearbeitet. Wie einfach das mittlerweile funktioniert, wissen viele gar nicht.

Ja, es gibt Apps, mit denen man super einfach retuschieren kann. Einmal über die entsprechenden Körperstellen drüber-wischen und schon hat man glatte Baby-haut, ganz ohne Creme, so wie jede Frau sich das wünscht. Vielleicht finde ich noch meine Beine zu kurz … Auch das kann ich in zwei Sekunden verändern, ohne dass man das sieht.

Hand aufs Herz: Vergleichst du dich noch mit anderen im Netz oder bist du immun?

Klar, ich ertappe mich schon hin und wie-der dabei, dass ich mein Leben mit dem anderer Menschen vergleiche. Das ist auch irgendwo normal. Wichtig ist nur, dass man schnell wieder im Hier und Jetzt ist und sein eigenes Leben schätzt.

Stell dir vor, du könntest einen Monat komplett offline sein: Kein Handy, keine Fotos und Videos, keine Community, die „gefüttert“ werden muss. Welches Gefühl überwiegt: Freude oder Unbehagen?

Ruhe :-)

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