Beispiele für
geschlechtsabhängige Unterschiede:
Warum Männer und Frauen Medikamente unterschiedlich vertragen und was beide Geschlechter bei der Einnahme beachten sollten, darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen.
Herr Professor Glaeske, warum wirken Medikamente bei Frauen anders als bei Männern?
Zwischen den Geschlechtern gibt es körperliche Unterschiede bei Fett-, Muskel- und Knochenmasse, Hormonstatus, Enzymaktivitäten, Art und Anzahl von Rezeptoren oder Schmerzempfindlichkeit. Das wirkt sich auf die Verteilung, Umwandlung und Ausscheidung von Arzneistoffen aus. Auch das Alter hat einen großen Einfluss, die Wirkung eines Medikaments unterscheidet sich bei Kindern, Erwachsenen und Senioren erheblich. Bei älteren Patienten ist die Nieren- und Leberfunktion herabgesetzt, Arzneimittel werden langsamer ausgeschieden und reichern sich im Körper an. Bei Kindern halbiert man häufig die Erwachsenendosis oder rechnet das Körpergewicht herunter, ohne die kindliche Verstoffwechselung zu berücksichtigen. Mit unerwünschten gesundheitlichen Folgen. Es sind Arzneimittelstudien notwendig, die nach Alter und Geschlecht auswerten. Das geschieht zu selten.
Warum sind bis heute viele Medikamente bzw. Dosierungsempfehlungen nicht auf den weiblichen Körper ausgelegt?
Insbesondere an den ersten klinischen Studien mit einem Wirkstoff nehmen nur wenige Frauen teil. In dieser Phase überprüft man Ergebnisse aus Tierversuchen und untersucht, wie sich der neue Arzneistoff im Körper verhält. Frauen scheinen wegen ihrer Hormonschwankungen und möglicher Folgen bei einer späteren Schwangerschaft zu wenig „kalkulierbar“. Der Contergan-Skandal zu Beginn der 60er Jahre führte dazu, dass die Beteiligung von Frauen an Studien teilweise sogar ganz verboten wurde. Man übertrug einfach die an Männern gewonnenen Informationen auf Frauen. Seit der Jahrtausendwende werden Frauen aber in Studien der späteren Entwicklungsphasen durchaus angemessen berücksichtigt. Ältere Zulassungen aber wurden nicht aktualisiert und sind kaum auf den weiblichen Organismus abgestimmt.
Was raten Sie Frauen bei der Medikamenteneinnahme?
Ich bin erstaunt, wie viele ältere Mittel ohne geschlechterdifferenzierte Informationen noch im Handel sind. Das betrifft Psychopharmaka, Schlafmittel, Schmerzmittel und Mittel gegen Bluthochdruck oder Herzkreislauferkrankungen. Angaben, wie sich der Wirkstoff im Körper verteilt, umwandelt und ausgeschieden wird, sind im Beipackzettel meist nicht zu finden. Frauen sollten dieses Thema bei ihrem Arzt ansprechen, insbesondere, wenn unerwünschte Wirkungen auftreten.
Antibiotikum nicht mit Milch einnehmen – diese Regel kennt fast jeder. Welche relevanten Wechselwirkungen mit Lebensmitteln sind weniger bekannt?
Inhaltsstoffe der Grapefruit beeinträchtigen den Abbau von Arzneistoffen im Körper, etwa von einigen Cholesterin- oder Blutdrucksenkern. Der Verzehr größerer Mengen Lakritz kann für Bluthochdruckpatienten problematisch sein. Inhaltsstoffe der Süßholzwurzel wirken sich auf den Mineralstoffwechsel sowie den Kalium und Natrium-Spiegel aus. Patienten, die Phenprocoumon (z. B. in Marcumar) einnehmen müssen, sollten Goji-Beeren meiden, denn sie erhöhen das Risiko für Blutungen. Zur Regel „Antibiotikum nicht mit Milch“ sei noch hinzugefügt, dass alle Nahrungsmittel mit hohem Calciumgehalt problematisch sind. Auch angereicherte Fruchtsäfte und Mineralwässer. Calcium „bindet“ Wirkstoffe, die dann vom Körper schlechter aufgenommen werden. Neben bestimmten Antibiotika betrifft das Schilddrüsenhormone und Osteoporose-Mittel.
Von richtiger Lagerung bis Brown-Bag-Check: Was sollte bei einer Medikamentenverordnung beachtet werden?
Lösen Sie ein neues Rezept zeitnah in der Apotheke ein und lassen Sie Ihren Medikationsplan gleich auf mögliche Wechselwirkungen hin überprüfen. Lagern Sie Arzneimittel, die keine Kühlung benötigen, trocken und vor Licht geschützt. Küche oder Badezimmer sind als Aufbewahrungsort ungeeignet. Bewahren Sie Medikamente in der Originalpackung auf. Der Karton dient als Lichtschutz, und Sie finden darauf die Bezeichnung und Chargennummer. Nutzen Sie einmal im Jahr die „Brown-Bag-Methode“: Tragen Sie Ihre heimischen Arzneimittel in die Apotheke (in den USA geschieht dies meist in einer braunen Papiertüte, daher der Name) und lassen Sie prüfen, ob die Mittel noch intakt sind oder entsorgt werden sollten.