Entscheiden müssen Sie.
Schützt Impfen?
Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie das Impfen. Wir möchten Sie umfassend informieren – für Ihre individuelle Impfentscheidung.
Über Jahrtausende waren Pocken eine Geißel der Menschheit. 1874 trat im Deutschen Reich das Reichimpfgesetz in Kraft, viele andere Länder folgten. 1980 konnte die Welt von der Weltgesundheitsorganisation WHO schließlich für pockenfrei erklärt werden.
Die Ausrottung der Pocken zählt zu den großen Erfolgen der Geschichte der Medizin: Der aktuelle Anstieg der Maserninfektionen hat die Diskussion über das Pro und Contra des Impfens, über Pflicht oder Freiwilligkeit neu entflammt. Bei uns in Deutschland besteht aktuell keine Impfpflicht. Ab März 2020 jedoch müssen Eltern für Ihre Kinder bei Eintritt in die Kita oder Schule voraussichtlich eine Masernimpfung nachweisen.
Ob und wann Kinder oder auch Erwachsene darüber hinaus welche Impfungen bekommen sollten, welche sinnvoll und wie sicher sie sind – das sind Fragen, die mit Bedacht und Vernunft diskutiert werden sollten. Eltern, die ja für ihre Kinder die Impfentscheidung treffen, tragen eine besondere Verantwortung. Diese Entscheidung sollte optimalerweise auf Basis von Information und ärztlicher Beratung, nicht aber „aus dem Bauch heraus“ getroffen werden.

Gesetz ist Gesetz
Dina und Fabian aus München sind die Eltern von Jonas, der sich mit seinen vier Jahren täglich auf die Kita und seine Freunde freut. Alles gut soweit, das Team passt, die Betreuer sind klasse, das pädagogische Konzept stimmt und an der Ausstattung gibt es nichts zu bemängeln. Trotzdem herrschte seit geraumer Zeit dicke Luft, die Elternschaft war in zwei Lager gespalten. Es ging um das Thema Masern und um die Frage: Impfen – ja oder nein? Mit der Impfpflicht gegen Masern, die ab März 2020 gelten soll, würde die Bundesregierung den Eltern die Entscheidung nun abnehmen. Die Begründung: Masern gehören zu den Infektionskrankheiten mit explosionsartigen Ansteckungsraten und die Zahl der landesweit gemeldeten Fälle war zuletzt signifikant angestiegen.
Dina und Fabian hatten zur Gruppe der Eltern gezählt, die sich nach individueller Abwägung gegen eine Impfung entschieden hatten. Meldungen, nach denen das Immunsystem des Kindes geschädigt und Erkrankungen wie Autismus oder Allergien wahrscheinlicher wären, hatten sie davon abgehalten, ihren Sohn impfen zu lassen. Mit der Impfpflicht und der Androhung von Bußgeld hätte sich dieses Thema erledigt: Gesetz ist nun mal Gesetz, und dem werden die beiden Eltern – wenn auch widerwillig – Folge leisten.
Stimmt´s oder nicht?
Was ist dran an den gängigen Impfmythen?
„Impfungen lösen Autismus und Multiple Sklerose aus.“
Auch für diesen oft bemühten Zusammenhang gibt es laut Paul-Ehrlich-Institut keine Beweise. Studien, die eine solche Verbindung angeblich aufdeckten, sorgten zwar für viel Wirbel, hatten aber gravierende methodische Mängel. Bei einer der Studien wurde später sogar bekannt, dass sie von Anwälten von Eltern autistischer Kinder finanziert wurde, die sie bei Klagen gegen einen Impfstoff-Hersteller vertraten.
„Impfpflicht ist Körperverletzung.“
Stimmt so nicht. In Deutschland schützt das Grundgesetz unser Recht auf körperliche Unversehrtheit – das stimmt zwar, aber: Ausnahmen sind im Falle einer Epidemie oder zum Schutz einer Mehrheit – in diesem Fall aller anderen Kinder und Neugeborener – zulässig.
„Krankheiten zu überstehen, stärkt den Körper.“
Gerade in anthroposophischen Kreisen gilt es als „stärkend und reinigend“, den Körper eine Krankheit durchleben zu lassen. Auch dafür gibt es aber keinerlei wissenschaftliche Belege. Wer eine Infektionskrankheit übersteht, ist anschließend lediglich gegen diesen einen Erreger immun. Und: Neue Studien liefern Belege dafür, dass etwa eine Maserninfektion zu einer monatelangen Schwächung des Immunsystems führt.
„Impfungen fördern Allergien.“
Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg für einen Zusammenhang zwischen Allergien und Impfungen. Gegen den Mythos spricht auch eine innerdeutsche Beobachtung: In der DDR bestand Impfpflicht und hier gab es kaum Allergien. Nach der Wiedervereinigung sank die Impfquote, aber die Anzahl der Allergien stieg.
„Impfen ist ein Risiko!“
Natürlich können Impfungen Nebenwirkungen haben, auch Komplikationen können vorkommen – diese sind jedoch äußerst selten. Laut Gesundheitsministerium liegt die Zahl der anerkannten Impfschäden in Deutschland bei durchschnittlich 34 pro Jahr – bei rund 50 Millionen Impfungen.
Staatlich empfohlen:
Der Impfkalender der Ständigen Impfkommission – STIKO.
Bei der Frage des Für und Wider beim Impfen geht es immer um Abwägung: In welchem Verhältnis steht der Nutzen einer Maßnahme zu den Aufwendungen oder Nebenwirkungen? Zuständig für die Beantwortung dieser Grundsatzfrage ist in Deutschland von offizieller Seite die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin. Die STIKO entwickelt jährlich in einem sehr komplexen Prüfverfahren die Impfempfehlungen für Deutschland und berücksichtigt dabei nicht nur deren Nutzen für das geimpfte Individuum, sondern auch für die gesamte Bevölkerung. Diese Empfehlungen finden sich im Impfkalender für Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene wieder. „Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Ziel es ist (…) die Impfempfehlungen an neue Impfstoffentwicklungen und Erkenntnisse aus der Forschung optimal anpassen zu können.“ – so nachzulesen auf der STIKO Website. Den Impfkalender auf Basis der STIKO Empfehlungen für Kinder bis zum 17ten Lebensjahr finden Sie auf der Website der Audi BKK unter www.audibkk.de/impfen. Wer sich darüber hinaus informieren will, sollte ein Beratungsgespräch mit seinem Haus- oder Kinderarzt vereinbaren.
Von Risiken und Nebenwirkungen
Säuglinge und Kleinkinder tragen ein höheres Risiko, an Infektionen zu erkranken, als Erwachsene. Grund dafür ist das Immunsystem, das noch in der Lernphase ist und sich nicht auf schon vorhandene Antikörper stützen kann. Impfungen helfen dabei, diesen Lernprozess zu beschleunigen. Natürlich können Impfungen auch Nebenwirkungen hervorrufen. Typische Beschwerden nach einer Impfung sind Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle. Auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein sind möglich. Diese Reaktionen sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff und klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab. Das Risiko von Impfkomplikationen oder -schäden ist sehr gering. Über mögliche Langzeitfolgen, etwa erhöhte Infektanfälligkeit, wird diskutiert, sie sind aber nicht gesichert. Bei der Betrachtung sollte man auch bedenken, welche Gefahren von einer potenziellen Infektion ausgehen.
Impfen – eine Frage der Moral?
Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen anfängt – kollektiver Schutz steht demnach vor individuellem Interesse. Klar ist, dass Impfungen der Vermeidung von Krankheiten dienen und die Quote von Komplikationen und Todesfällen durch diese Krankheiten senken können. Außerdem soll durch eine so genannte „Herdenimmunität“ das Erkrankungsrisiko für alle gesenkt werden. Das funktioniert aber nur dann, wenn der Großteil einer Bevölkerung – die WHO geht von einer Quote von 95 Prozent aus – geimpft ist.
Freie Entscheidung.
Wir haben die Wahl. Und wer die hat, der hat manchmal eben auch die Qual. Aber die Freiheit ist ein sehr hohes Gut und sollte keinesfalls leichtfertig vergeben werden. Die Weltgesundheitsorganisation fordert, dass die Menschen befähigt werden sollten, die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu übernehmen, also durch Aufklärung in die Lage versetzt werden sollten, abzuwägen und zu entscheiden. Die Basis dieser Entscheidung sollten faktisch sein, also auf offiziellen statistischen Werten fußen. Aber damit es ist eben wie bei jeder statistischen Betrachtung: Der Einzelfall kann deutlich von der Regel abweichen. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar nur gering, aber schlimmstenfalls kann man durch eine Impfung eben auch gesundheitlichen Schaden nehmen. Viel größer erscheint dagegen allerdings das Risiko zu sein, das von den Krankheiten selbst und den damit verbundenen Komplikationen ausgeht, die durch Impfen verhindert werden können.
Wer es richtig machen will, der sollte sich mit dem Thema Impfen intensiv auseinandersetzen und sich von seinem Haus- oder Kinderarzt beraten lassen.

Experteninterview.
Der Verein „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V.“ hat in diesem Jahr die Petition „Deutschland braucht keine Impfpflicht“ gestartet. Wir sprachen zum Thema mit dem Privatarzt Dr. Martin Hirte, Mitglied des Vereins und Autor des Buches „Impfen – Pro und Contra“.

Herr Dr. Hirte, lassen Sie uns übers Impfen sprechen, über Pro und Contra. Schwieriges Terrain sogar für Mediziner und Wissenschaftler. Bleibt es da für Normalbürger nicht immer eine Bauchentscheidung?
Dr. Hirte: Das ist wohl so. Wesentliche Informationen wie etwa zum Langzeit-Nutzen oder zu den Langzeit-Risiken des Impfens stehen für eine fundierte rationale Entscheidung nicht zur Verfügung.
In Deutschland ist die STIKO im Robert-Koch-Institut mit der ständigen Weiterentwicklung der Impfempfehlung der Bundesregierung beauftragt. Decken sich deren Empfehlungen mit Ihrer Einschätzung?
Dr. Hirte: Um eines ganz klar zu stellen: Ich lehne Impfungen auf keinen Fall grundsätzlich ab. Ich frage mich aber zum Beispiel, was die Impfung gegen eine hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr und unsauberes Spritzbesteck übertragbare Erkrankung wie Hepatitis B im Impfkalender für Säuglinge zu suchen hat. Auch die Windpocken-Impfung für alle Kinder ist unnötig und riskant, da sie eine harmlose Kinderkrankheit in das komplikationsgefährdete Erwachsenenalter verschiebt. Ich halte dagegen die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Polio für wichtig. Auch die Masern-Erkrankung kann man unter den heutigen Bedingungen der Gesellschaft nicht mehr zumuten, weil immer mehr Erwachsene und Säuglinge daran erkranken, mit hohem Komplikationsrisiko. Gegen Masern sollte meiner Meinung nach jedes Kindergarten-Kind und jedes Kind, in dessen Familie eine Geburt ansteht, geimpft sein.
Sie plädieren also für einen alternativen Impfplan, beispielsweise mit einem veränderten Zeitplan?
Dr. Hirte: Ich plädiere vor allem dafür, dass jede Impfentscheidung individuell getroffen werden sollte. Wichtig ist für mich dabei der Prozess der Entscheidungsfindung: Sich informieren, das Problem mit anderen diskutieren, sich ärztlich beraten zu lassen, es durchdenken und auch überschlafen und dann nach bestem Wissen und Gewissen für sich selbst oder für das eigene Kind eine Entscheidung zu fällen. Und dann wieder zu normalen Tagesordnung übergehen – es gibt im Leben Wichtigeres als Impfen oder Nicht-Impfen.
Wird in Deutschland noch ausreichend geimpft?
Dr. Hirte: Neuere Wirksamkeitsstudien zeigen, dass bei uns sogar zu oft geimpft wird. In vielen Ländern wurde bereits auf die Grundimmunisierung mit nur drei Impfungen – im 3., 5., und 12. Monat – umgestellt, mit nur einer Auffrischung zwischen dem 6. und 9. Geburtstag. Auch die regelmäßigen Auffrischungsimpfungen im Zehn-Jahres-Rhythmus gegen Tetanus im Erwachsenenalter werden von U.S.-amerikanischen Forschern in Frage gestellt. Ihren Untersuchungen zufolge ist der Impfstoff bei 97 Prozent der Untersuchten mindestens 30 Jahre lang wirksam, sofern die empfohlenen Impfungen in der Kindheit durchgeführt worden sind.
Die Wirkung einer neuen Generation von Impfstoffen ist teilweise auf bis zu 20 Jahren ausgelegt, die STIKO hält weiterhin an kürzeren Impfintervallen fest. Was ist Ihre Meinung?
Dr. Hirte: Diese Dinge ändern sich natürlich wie alles andere im Leben auch. Die Entwicklung schreitet voran, die STIKO zieht nach. In anderen europäischen Ländern gibt es bereits deutlich längere Impfintervalle – das wird auch die STIKO zur Kenntnis nehmen und ihre Empfehlungen zu gegebener Zeit anpassen.
Herr Dr. Hirte, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Mehr zum Thema Impfen:
Lesen Sie mehr zu den 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen auf der Seite des
Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts.
Weitere Informationen zum Thema Impfen finden Sie außerdem hier:
www.rki.de
www.pei.de